Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 269)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Überlieferung (Bülow 1848)

Er lernte in dem Körnerschen Hause ein reiches und liebenswürdiges junges Mädchen [Julie Kunze] kennen, mit dem ihn bald eine gegenseitige Neigung verband. Es schien ihrer Verbindung eine Weile nichts im Wege zu stehen, und dessenungeachtet zerschlug sie sich an dem bloßen Verlangen Kleists, daß ihm die Geliebte ohne des alten Körners, ihres Vormunds oder Oheims Vorwissen, schreibe. Sie schlug es ab, er wiederholte seine Bitte nach drei Tagen, in denen er sie nicht besuchte, darauf nach ebenso vielen Wochen und Monaten und löste zuletzt das Verhältnis auf diese Weise völlig.

Nach dem Bruche begann er das Käthchen von Heilbronn zu dichten, und ward dazu gewissermaßen von dem schmerzlichen Bedürfnisse angetrieben, seiner ungetreuen Geliebten beispielsweise an seiner Heidin zu zeigen, wie man lieben müsse. Die Annahme, daß eine andere Dame [Dora Stock] seine Verbindung zumeist aus Abneigung gegen ihn gestört habe, vermochte ihn zugleich, ihren Charakter so sehr ins Schwarze und Häßliche auszumalen, daß daraus die Übertreibung seiner Kunigunde entstand.

Aus Niedergeschlagenheit über die Störung dieses Verhältnisses, und weil es sich zugleich entschied, daß der Phöbus keinen Fortbestand haben werde, versuchte Kleist schon hier, sich das Leben zu nehmen, und fand ihn sein Freund Rühle eines Herbsttages, von einer starken Dosis Opium, die er zu sich genommen hatte, der Besinnung beraubt, auf dem Bette liegen. [Fragwürdige Überlieferungen.] [LS 53]

(Sembdners Quelle: Bülow, Eduard v.: H. v. Kleists Leben und Briefe. Berlin 1848, S. 52f.)


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