Brief 1808-08-00

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Dresden, August 1808

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Ulrike von Kleist


Meine teuerste Ulrike,

Ich hätte Dich so gern diesen Sommer einmal gesehen, um Dir über so manche Dinge Auskunft zu geben und abzufordern, die sich in Briefen nicht anders, als auf eine unvollkommene Art, abtun lassen. Doch mancherlei Ursachen, die gleichfalls zu weitläufig sind, um auseinander gesetzt zu werden, verhindern mich, bis noch auf diese Stunde, Dresden zu verlassen. Der Phöbus hat sich, trotz des gänzlich danieder liegenden Buchhandels, noch bis jetzt erhalten; doch was jetzt, wenn der Krieg ausbricht, daraus werden soll, weiß ich nicht. Es würde mir leicht sein, Dich zu überzeugen, wie gut meine Lage wäre, und wie hoffnungsreich die Aussichten, die sich mir in die Zukunft eröffnen: wenn diese verderbliche Zeit nicht den Erfolg aller ruhigen Bemühungen zerstörte. Gleichwohl ist die Bedingung, unter der ich hier lebe, noch erträglich, und ich fürchte sehr, daß es Euch allen nicht besser geht. Ich habe jetzt wieder ein Stück, durch den hiesigen Maître de plaisir, Grf. Vizthum, an die Sächsische Hauptbühne verkauft, und denke dies, wenn mich der Krieg nicht stört, auch nach Wien zu tun; doch nach Berlin geht es nicht, weil dort nur Übersetzungen kleiner französischer Stücke gegeben werden; und in Kassel ist gar das deutsche Theater ganz abgeschafft und ein französisches an die Stelle gesetzt worden. So wird es wohl, wenn Gott nicht hilft, überall werden. Wer weiß, ob jemand noch, nach hundert Jahren, in dieser Gegend deutsch spricht. Ich bitte Dich, nicht böse zu werden, wenn ich Dir vorderhand die Interessen der 500 Rth. nicht auszahlen kann, ich versichre Dich, daß es ganz unmöglich ist, indem die meisten Buchhändler bis auf Ostern 1809 unsre Schuldner sind. Die eigentliche Absicht dieses Briefes ist, bestimmt zu erfahren, wo Du bist, und Dich zu fragen, ob Du wohl einen reitenden Boten, den ich von hier aus nach Wormlage abfertigen würde, von dort aus weiter nach Fürstenwalde besorgen kannst? Man wünscht jemanden, der in der Mark wohnt (es ist der G. P.), schnell von der Entbindung einer Dame, die in Töplitz ist, zu benachrichtigen. Schreibe mir nur bestimmt: ja, weiter brauch ich nichts; ich überlasse es Dir, ob Du den Boten, den Du in Wormlage aufbringst, wegen etwa allzu großer Weite, erst nach Gulben schicken, und dort einen neuen beitreiben lassen - oder jenen gleich nach Fürstenwalde abgehen lassen willst. Schnelligkeit wird sehr gewünscht. Auch mir antworte sogleich auf diesen Punkt. Vielleicht komme ich in etwa drei Wochen selbst zu Euch, sehe, was Ihr macht, und berichtige meine, oder vielmehr die Schuld eines Freundes. Lebe inzwischen wohl, schreibe mir, was unsre teuerste Tante macht, und die übrigen, und zweifle nie an der unauslöschlichen Liebe Deines

Dresden, den [?] Aug. 1808

H. v. K.


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