Brief 1805-07-02
Königsberg, 2. Juli 1805
Absender: Heinrich von Kleist
Adressat: Ernst von Pfuel
Mein liebster Pfuel,
inliegende 20 Fr.dor sind ein Geschenk von der K[önigin], die die Kleisten schon lange Zeit für Dich in ihrem Büro aufbewahrt hat, und nun bei ihrer Abreise von Potsdam nach Dobran, da sie gar keine Nachricht von Dir bekömmt, mir zuschickt, um sie Dir zu übermachen. Du bist, mein armer Junge, wahrscheinlich krank (wie ich), daß Du die Kleisten noch bis auf diese Stunde nicht mit einem paar Zeilen erfreut hast. Du warst schon als Du hier auf die Post stiegest, unpäßlich, benachrichtige mich doch mit einem paar Worte (aus dem Bette, wie ich) ob meine Besorgnis gegründet ist. Laß dieses angenehme kleine Geschenk (angenehm wirklich durch die Geberin) etwas zu Deiner Herstellung beitragen. Du wirst jährlich 12 Fr.dor auf diesem Wege erhalten. Du möchtest, schreibt die Kleisten, Dich in [einem] kleinen niedlichen Briefe (franz.) bedanken, sie würde die Bestellung dieses Briefes übernehmen. Übrigens versteht sich von selbst, daß das größte Stillschweigen über die ganze Sache beobachtet werden muß. Adieu, ich bin auch bettlägrig, und leide schon seit 14 Tagen an rheumatischen Zufällen, und einem Wechselfieber, das mich, um mit Dir zu reden, ganz auf den Hund bringt. - Was macht denn der Hydrostat.
H. v. Kleist.
Königsberg, den 2. Juli 1805
(An den 20 Fr.dor fehlt das Postgeld, das sie mir von Potsd. bis Königsbg. gekostet haben!)
N. S. Diesen Brief schickte ich vorgestern auf die Post, und bekam ihn zurück mit der Weisung, daß er erst morgen (als am Posttage nach Johannisburg) angenommen werden könne. Soeben erhalte ich nun Deinen Brief; und erbreche den meinigen noch einmal, um Dir zu antworten. Zuvörderst sehe ich zwar daraus, daß Du nicht krank bist, begreife aber jetzt um so weniger, wie es zugeht, daß Du der Kleisten noch nicht geschrieben hast. Es sei nun wirklich Nachlässigkeit, oder Rache, so ist es das Unwürdigste von der Welt, und nicht wert, daß ich ein Wort darüber verliere. - Was Deine hydrostatische Weisheit betrifft, so muß ich Dich zweierlei bitten, 1) nichts zu schreiben, was Du nicht gut überlegt hast, 2) Dich so bestimmt auszudrücken, als es die Sprache überhaupt zuläßt; weil sonst des Schreibens und Wiederschreibens kein Ende wird. Auf 120' Tiefe (siehe A Deines Briefes) ist die Luft nicht 6.8 (soll doch heißen 6 bis 8 mal) zusammengedrückt, auf 128' Tiefe ist sie genau 8mal zusammengedrückt; d. h. wenn ihre Zusammendrückung über dem Meere = 1, so ist sie 128' unter demselben = 8. Daß sich zweitens (B Deines Briefes) die Luft 24mal verdichten lasse, ist eine sonderbare Annahme, da sie sich bekanntermaßen in der Kolbe der schlechtesten Windbüchse 300mal zusammenpressen läßt. Daß übrigens beim Sinken des Hydrostaten das Luftpumpengeschäft immer sukzessiv schwerer vor sich geht, indem zusammengedrückte Luft zusammengedrückt werden muß, ist ein Umstand, den wir schon hier in Königsberg erwogen haben. Wenn sich die Luft, über dem Meere, 400mal zusammenpressen läßt, welches gar keine übertriebene Annahme ist, so läßt sie sich
32' | unter dem Meere | 200mal | |
64' | " " " | nur | 100mal |
128' | " " " | nur | 50mal |
256' | " " " | nur | 25mal |
512' | " " " | nur | 12 1/2 mal |
zusammenpressen. In dieser Tiefe also allerdings ist (oder wird doch wenigstens in einer noch größern Tiefe) das Luftpumpengeschäft von ungeheurer Schwierigkeit. Es muß vielleicht hier ganz und gar wegfallen. Doch überall kann man es entbehren, da man an den Gewichten ein Surrogat hat, das, was die vertikale Bewegung betrifft, ganz und gar statt der Luftpumpe dienen kann. - Nach dieser Berechnung fällt der Kubikinhalt für die Magazine auch weit geringer aus. Ein ganz mit Wasser gefülltes Gefäß von 31250 K. F. braucht
32' | unter Wasser | 2.31250 | K.F. Luft, | um das Wasser daraus zu vertreiben |
64' | " " | 4.31250 | K.F. Luft, | " |
128' | " " | 8.31250 | K.F. Luft, | " |
256' | " " | 16.31250 | K.F. Luft, | " |
Also, um Deinen Fall zu nehmen, braucht Dein Gefäß von 31250 Kubikfuß Inhalt, 128 unter dem Wasser, gesetzt es wäre alsdann ganz voll Wasser, und man wollte es statt dessen mit Luft füllen, nur 8.31250 = 250000 Kubikfuß Luft, welche, um mitgenommen zu werden, nur eines Raumes von 250000:400 = 625 Kubikfuß bedürfen. - Endlich verstehe ich gar nicht, was du bei den Schaufeln des Rades für ein Bedenken hast. Wenn das Wasser bis aa steht, so werden die Schaufeln
von selbst bis b, b, b im Wasser stehn, ohne im mindesten über die Basis unten hervorragen zu müssen. Übrigens find ich selbst die Erfindung des Rades noch sehr roh, aber bloß wegen der Mitteilung der Bewegung, indem mir ein Ziehen sowohl, als ein Stoßen (der oberen Glocke an die untere) ungeschickt scheint. - Zum Schlusse noch eine Nachricht, die Dir sehr interessant sein müßte, wenn Du wirklich mit Eifer an die Ausbildung der Erfindung arbeitetest: nämlich, Rigolet in Lyon, Vorsteher der dortigen Landstraßen und Brücken, hat ein Fernrohr erfunden, durch welches er den Grund der Flüsse und Seen sehen, und die Grundlage der Wasserbauten untersuchen kann. - Schreibe mir bald ob Du richtig das Geld empfangen hast. Adieu. H. K.
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