Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 248a): Unterschied zwischen den Versionen

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''Aus Weimar''. Bald darauf [nach Zach. Werners »Wanda«] wurde
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''Am Weimar''. Neulich wurde hier zur Fastnacht ein neues
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burleskes Lustspiel vom Herrn v. Kleist gegeben: »der zerbrochene
in gereimten [!] Versen. Diesem Kruge ging's übel. Das
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Krug«. Die Geschichte des Stücks ist wirklich komisch,
Publikum nahm in seinem großen Unwillen eine so laute Satisfaktion,
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und es würde gewiß sehr gefallen haben, wenn es auf einen
dergleichen es hier noch keine genommen hat, und
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Akt zusammengedrängt und alles gehörig in lebhafte Handlung
statuierte allen Krügen dieser Art zur Warnung ein auffallendes
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gesetzt wäre. Stattdessen ist es aber in drei lange Akte abgeteilt,
Exempel an demselben, weshalb er versteckt wurde, um nicht
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und besonders wird im letzten Akt so entsetzlich viel und alles
zum dritten Mal zerbrochen zu werden.
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so breit erzählt, daß dem sonst sehr gcduldigten Publikum der
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Geduldfaden endlich ganz riß, und gegen den Schluß ein
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solcher Lärm sich erhob, daß keiner imstande war, von den
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ellenlangen Reden auch nur eine Silbe zu verstehn. Unsre
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neuesten Poeten von Talent sind so stolz, daß sie glauben, dem
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Publikum alles bieten zu können, und daß sie meinen, es müsse
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sich schon geehrt fühlen, wenn man sich nur herablasse, ihm
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etwas zum Besten zu geben.
  
 
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Version vom 27. November 2013, 13:19 Uhr

Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Am Weimar. Neulich wurde hier zur Fastnacht ein neues burleskes Lustspiel vom Herrn v. Kleist gegeben: »der zerbrochene Krug«. Die Geschichte des Stücks ist wirklich komisch, und es würde gewiß sehr gefallen haben, wenn es auf einen Akt zusammengedrängt und alles gehörig in lebhafte Handlung gesetzt wäre. Stattdessen ist es aber in drei lange Akte abgeteilt, und besonders wird im letzten Akt so entsetzlich viel und alles so breit erzählt, daß dem sonst sehr gcduldigten Publikum der Geduldfaden endlich ganz riß, und gegen den Schluß ein solcher Lärm sich erhob, daß keiner imstande war, von den ellenlangen Reden auch nur eine Silbe zu verstehn. Unsre neuesten Poeten von Talent sind so stolz, daß sie glauben, dem Publikum alles bieten zu können, und daß sie meinen, es müsse sich schon geehrt fühlen, wenn man sich nur herablasse, ihm etwas zum Besten zu geben.

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