Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 9)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Der Verfasser der Penthesileia — wenn ich nicht irre, haben Sie dies Gedicht verlegt — hat sich in diesen Tagen nicht weit von hier erschossen. Sein Tod ist so seltsam gewesen, als seine Poesien es sind. Er kam mit heiler Haut aus dem österreichisch-französischen Kriege hieher zurück, vereinigte sich mit Adam Müller zur Herausgabe eines Abendblatts, gab dies auf, weil es nicht einträglich war, schloß sich an die Weiber an und fixierte sich für eine gewisse Madam Vogel; eine Frau, deren Überbildung und Hysterie ihm vorzüglich konveniert zu haben scheint. Beide bereden sich, daß das Leben keinen Wert habe und daß man eilen müsse, es los zu werden. Gemeinschaftlich fahren sie nach einem Gasthof auf dem Wege von hier nach Potsdam, verleben daselbst eine Nacht, der Himmel mag wissen wie, schwärmen am folgenden Tage in der Gegend umher, lassen sich den Kaffee in einem Gehölz auftragen, und setzen sich in eine Vertiefung, die kaum hinreicht, beide zu fassen. Und in dieser Stellung expediert H. von Kleist erst seine Geliebte und unmittelbar darauf sich selbst. Übrigens waren die Maßregeln so gut genommen, daß, gleich nach geschehener Tat, der Mann der Dame mit einigen guten Freunden und dem Kreisphysikus ankamen und die beiden Liebenden, nach geschehener Besichtigung, zur Erde bestatten konnten. Ich müßte mich sehr irren, oder von den jungen Männern in Deutschland, welche sich so ungebärdig betragen haben, weil rund um sie her so vieles vorging, was sie nicht begreifen konnten, werden noch mehrere auf diese Weise endigen.

(Friedrich Buchholz an Johann Friedrich Cotta. Berlin, 26. 11. 1811)


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