Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 6)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Berlin, 26. Nov. Eine wirklich auffallende, und für Psychologen interessante Erscheinung belebt jetzt das Gespräch. Der als Schriftsteller bekannte Heinrich von Kleist und Adolphine Vogel, geborne Keber, haben sich auf gewaltsame Weise von dieser Erde getrennt, der allgemeinen Sage nach, nur aus Liebe zu einem geistigen Verein in jener bessern Welt. Beide fuhren eines Abends nach einem Gasthofe, nahe bei Potsdam, schrieben die ganze Nacht Briefe, wobei sie ruhig Erfrischungen zu sich nahmen. Am Morgen bestellten sie, daß man ihnen den Kaffee nach einem dem Hause naheliegenden Wäldchen bringen möchte; sie gingen dorthin, und bald darauf hörte man zweimal schießen. Die Herbeieilenden fanden beide tot, und aus der Ansicht und der gewählten Lage ergab sich, daß Heinrich von Kleist zuerst die Dame erschossen hatte mitten durchs Herz, und dann sich selbst mit tiefem Einlegen der Pistole in den Mund, denn der Gesichtsteil des Kopfes war nicht beschädigt. Bemerkenswert ist es noch, daß er beide Schüsse mit derselben Pistole tat, denn eine zweite lag geladen da; er hatte also so viel Ruhe gehabt, noch einmal zu laden. Die Gattin hinterläßt einen Gatten und eine Tochter. Einen schriftlichen Auftrag der Verstorbenen befolgend, wird ein Freund die düstere Geschichte in einer kleinen Schrift ausführlich erzählen, und die Gründe des Gewalttodes angeben.

(Aus: Morgenblatt für gebildete Stände. Tübingen, 21. 12. 1811. - Autor: Gubitz)


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