Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 2c)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Heraus-gegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


In der Berliner Zeitung findet sich eine Anzeige von dem neulich gemeldeten Selbstmorde Heinrichs v. Kleist und seiner Geliebten, worin mit nicht wenig Selbstgefälligkeit und nicht ohne Mitleid auf die gemeinen Naturen herabgeblickt wird, die nicht das Glück haben, in solchen offenbaren und schändlichen Verbrechen, die nur durch Wahnsinn oder Verrücktheit entschuldigt werden können, etwas Höheres, wohl gar Göttliches zu finden. Auch diese Anzeige enthält den traurigen Beweis, wie so mancher unserer Zeitgenossen sich das Ansehen eines vorzüglichern Geistes, den man nicht mit dem gewöhnlichen Maßstabe messen dürfe, durch das tolle Bestreben zu geben sucht, daß er der Vernunft und der ewigen Ordnung der Dinge öffentlich Hohn spricht, und bald das Heilige in Unheiliges, bald wieder das Unheilige in Heiliges so frech als gewaltsam verdreht und verzerrt. Gedachte Anzeige lautet folgendermaßen: [L 5401]

Auch der tiefbetrübte Gatte der Verewigten, die ihm ein Mädchen hinterläßt, hat das Publicum mit einer Todesanzeige behelligt, die ziemlich in dem nämlichen Geiste abgefaßt ist. Übrigens ist noch zu bemerken, daß dieser Selbstmord nicht, wie neulich gesagt ward, in einem Gasthause zu Potsdam, sondern in einem Wäldchen bei Potsdam statt gehabt hat.

(Aus: Leipziger Fama, 6. 12. 1811)


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