Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 2b)

Aus KleistDaten
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Heinrich von Kleists Lebensspuren. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Heraus-gegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Aus Berlin, den 25. Nov. Ich schrieb Ihnen in meinem letzten Briefe die merkwürdige Ermordung der Madam Vogel und Heinrichs von Kleist, so wie sie damals allgemein bekannt war. Das Faktum selbst ist auch ganz wahr, nur mit dem kleinen Unterschiede, daß sie beide nicht das Wirtshaus bei dem Gastwirt Stemming [!], ohnweit Potsdam, sondern ein in dessen Nähe belegenes Gehölz zu ihrem Vorhaben gewählt haben.

Aber, was Sie kaum glauben sollten, gleich darauf las man nachstehende beide Ankündigungen in den hiesigen Zeitungen: [LS 539, LS 540]

Das große Publikum, das in der Regel einen richtigen Takt hat, hatte erwartet, daß diejenigen, die bei dieser Sache am meisten interessiert wären, darüber ein bescheidenes Schweigen beobachten würden [...]

Besonders war man über die Anzeige des Kriegsrats Peguilhen indigniert [...]. Man tadelte es laut, daß die Zensur eine solche Ankündigung, die dem Morde und Selbstmorde das Wort rede, den Abdruck noch dazu in den Zeitungen gestattet, die in die Hände aller Volksklassen kämen, und viele äußerten unverhohlen, wie es unverantwortlich sei, zu gestatten, daß Staatsdiener öffentlich dergleichen unmoralische Ideen bekanntmachen dürften. Entsetzlich fand man besonders die Idee, daß die sogenannten höhern Naturen nach einem ganz andern Maßstab als dem gewöhnlichen der Moral gemessen werden müßten. Sind diese höheren Naturen privilegiert, schauderhafte Verbrechen zu begehen, und wegen Ausbrüchen ihrer Raserei gerühmt zu werden, so laßt sie uns fliehen wie die Pest!!!

(Aus: Zeitung für die elegante Welt. Hrsg. von A. Mahlmann. Leipzig, 6. 12. 1811)


Zu den Übersichtsseiten (Personen, Orte, Zeit, Quellen)

Personen | Orte | Werke | Briefe | Jahresübersichten | Quellen | Heinrich von Kleists Nachruhm