Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 19a)

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Heinrich von Kleists Nachruhm. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle NR und laufender Nummer zitiert.]


Bemerkungen eines Beobachters der Zeit

Zu allen Zeiten hat es Schwächlinge gegeben, die, dienstbar den Eindrücken einer regellosen Phantasie, sich von der geraden Straße der gesunden Vernunft verirrten und in regellosen Irrgängen herumschwärmten, aber der Geist jedes Zeitalters gibt diesen Schwärmern eine eigentümliche Richtung.

Dieser Zeitgeist hat daher Mystiker aller Art, Zeichendeuter und Wahrsager, religiöse Phantasten, Magnetiseurs, Physiognomen, empfindelnde Werther, Kraft- Sturm- und Drangmänner, und ästhetische Weiber hervorgebracht und für solche verschrobene Köpfe ist die neuste poetische Schule ein vortrefflicher Zufluchtsort.

Wie ausschweifende Bursche sonst unter die Soldaten gingen, so gehn solche junge Herrn und Damen unter die Poeten und loben sich wechselseitig über die Mißgeburten ihrer verschrobenen Phantasie, und so wie sie ihren ästhetischen Maßstab haben, so haben sie auch ihren eigenen moralischen. Es ist ein Glück, daß trotz allen ihren Bemühungen weder der eine noch der andere allgemeine Gültigkeit erhalten wird, denn der gesunde Menschenverstand und das dem Menschen angeborne Gefühl der Sittlichkeit werden ihre unvertilgbare Rechte immer behaupten. [...]

((Aus: Der Preußische Vaterlandsfreund. Berlin, 14. 12. 1811 - Autor: Karl Müchler?)


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