Heinrich von Kleists Nachruhm (NR 10)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Eine Wirkungsgeschichten in Dokumenten. Herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Den 21. November erschoß sich der bekannte exzentrische Schriftsteller v. Kleist, Verf. des zerbrochenen Krugs und des Schauspiels Käthchen von Heilbronn, in Gesellschaft seiner Freundin, der Frau eines Rendanten Vogel allhier, einer geborenen Keber. Der Mord und Selbstmord geschah drei Meilen von Berlin auf dem Wege nach Potsdam beim sogenannten Neuen Kruge in einer romantischen Gegend bei einem großen See. Ganz vorüberdacht ist alles gewesen. Die Vogel, eine schöne, schöngeisterische Frau, hat an ihren Mann ein Schreiben hinterlassen, das derselbe mit einer Art Selbstruhm in der Zeitung bekannt gemacht hat und worin sie ihn bittet, nicht zu trauern, indem sie zu einem bessern Leben überginge. Kleist selbst hat ein Testament hinterlassen und einen Kriegsrat Peguilhen zum Ausrichter desselben bestellt. Letzterer hat mit einem Panegyricus in der Zeitung die Tat bekannt gemacht. Niemand begreift, wie unsere sonst so ängstliche Zensur dergleichen hat durchgehen lassen. Er verspricht dabei, noch eine besondere Broschure über die Sache und deren Beweggründe herauszugeben. Kleist hat seine Freundin zuerst erschossen. Sie hat die Brust dazu entblößt, muß aber doch gezuckt haben, denn der Schuß hat mehr die linke Seite unter dem Herzen getroffen, ist indessen doch sogleich tödlich gewesen, nachher hat er sich die Pistole im Munde gesetzt und sich so das Gehirn zersprengt. – Das was der Verstorbene immer gern wollte und weder durch seine Schauspiele und Gedichte, noch durch sein Abendblatt erreichen konnte: Aufsehn, hat er nunmehr eine kurze Zeit wenigstens bezweckt.

(J C. F. Rellstab an Bertuch in Weimar. Berlin, 1. 12. 1811)


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