Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 567)
Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]
Karl Strecker, Kleists Grab im Festschmuck (Frankfurter Zeitung, 18. November 1911)
Da hieß es im März 1904 plötzlich, Prinz Friedrich Lcopold, der Besitzer des Waldes am Kleinen Wannsee, wolle dies Gelände für zwei Millionen verkaufen. Kleist solle »exhumirt« und einen Kilometer weiter östlich, fernab vom Seeufer, nahe dem Bahnstrang und der Landstraße, wieder eingescharrt werden. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich. Ich selber versuchte wiederholt, den Prinzen in Dreilinden, seinem bei Wannsee gelegenen Jagdschloß, zu sprechen, um ihm das Pietätlose dieser Verlegung vorzustellen. Vergebens, der Prinz ließ mir durch einen Oberförster mitteilen, die Sache sei nicht mehr zu ändern, übrigens »solle ja alles geschehen, um für eine würdige Umbettung zu sorgen«.
Schon entschieden? Nun waren Presse und Parlament die letzte Hoffnung. Wir taten alles, in den Zeitungen klarzulegen, daß es eine Ungeheuerlichkeit sei, wenn ein Hohenzollernprinz diesen größten brandenburgischen und preußischen Dichter aus der heilig gewordenen Stätte, wo er den letzten Frieden gesucht und gefunden, herausreißen und ihn nicht einmal im Tode ehren wolle, den niemand im Leben geehrt. Parlamentarier faßten auf diese Entrüstungsartikel hin den Entschluß, im Abgeordnetenhause einen Antrag auf Erhaltung des Grabes und seinen Ankauf durch den Staat zu stellen. Das wirkte. Bevor der Antrag noch gestellt wurde, erklärte das Hofmarschallamt, der Prinz mache das Grab »der deutschen Nation zum Geschenk«.
(Sembdners Quelle: Fotokopien und Originale aus dem Nachlaß Georg Minde-Pouets; heute Kleistsammlung der Amerika-Gedenkbibliothek Berlin)
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