Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 566)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Theodor Fontane, Fünf Schlösser. 1889

Ein noch größeres Interesse weckt das etwa tausend Schritt von Dreilinden, unmittelbar am kleinen Wannsee gelegene Grab von Heinrich von Kleist. Erst der Prinz erwarb diesen Uferstreifen. Die Stätte selbst ist seit Eröffnung der in geringer Entfernung vorüberführenden Grunewaldbahn eine vielbesuchte Pilgerstätte geworden und in schöner Jahreszeit vergeht wohl kein Nachmittag, an dem nicht Sommervergnüglinge von Station Neu-Babelsberg her aufbrechen, um, am Wannsee hin ihren Weg nehmend, dem toten Dichter ihren Besuch zu machen. …

[Wir hatten von Dreilinden aus einen Punkt erreicht,] wo der über die Wiese führende Weg ein Ende zu haben schien, bis wir zuletzt, bei schärfrem Hinsehn, eines Fußpfades gewahr wurden, der sich, zwischen allerlei Gestrüpp hin, in einer schmalen Schlängellinie fortsetzte. War das unser Weg? Ein Versuch schien wenigstens geboten, und siehe da, keine hundert Schritt und wir hatten es und standen an der Grabstelle, die, seitab und einsam im Schatten gelegen, denselben düstren Charakter zeigte, wie das Leben, das sich hier schloß. Auch eine pietätvolle Wiederherstellung der durch viele Jahre vernachlässigten Stelle hat an diesem Eindruck nichts ändern können. Ein Eisengitter zwischen vier Steinpfeilern schließt das Grab ein, das zwei Grabsteine trägt: einen abgestumpften Obelisken aus älterer und einen pultartig zugeschrägten Marmor aus neurer Zeit. Auf dem abgestumpften Obelisken fanden wir ein Häuflein Erde, darin eine sinnige Hand, vielleicht keine Stunde vor uns, einen Strauß unterwegs gepflückter Feldblumen eingesetzt hatte. Zu Füßen des Obelisken aber, auf dem zugeschrägten Marmorsteine, stand das folgende:

Heinrich von Kleist
geb. 10. October 1776
gest. 21. September [!][1] 1811.
Er lebte sang und litt
in trüber schwerer Zeit;
er suchte hier den Tod,
und fand Unsterblichkeit. [Max Ring]

  1. In Sembdners Handexemplar »[!]« ergänzt

(Sembdners Quelle: Fontane, Theodor: Sämtliche Werke. Hrsg. v. E. Grass. Bd. 13, München 1960, S. 385f. (Grabinschrift ist bei Fontane ungenau und ohne Bibelzitat wiedergegeben.))


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