Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 503a)
Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]
Friedrich von Üchtritz. Vorwort zu »Eleazar« (1867)
An einem jener Dienstagabende im Hause des Professors Friedrich von Raumer zu Berlin … erzählte Ludwig Robert, daß Heinrich von Kleist einmal zu ihm von der Belagerung und Zerstörung Jerusalems durch Titus als von dem Gegenstande eines Trauerspiels, womit er sich trage, gesprochen habe. Die Art, wie dieser Gegenstand von dem Dichter nach dessen damaligen Mitteilungen aufgefaßt worden, der Sinn und Gedanke, der als Grundidee der Dichtung zu tragischem Ausdrucke habe kommen sollen, sei ihm ausnehmend groß und bedeutungsvoll erschienen, und er habe, als Kleist einige Zeit darauf aus den Lebenden geschieden, eine Lockung empfunden, diesem Gedanken selber Gestalt zu geben und den Plan als ein ihm zugefallenes Erbe zur Ausführung zu bringen. Doch sei ihm, trotz allen Nachsinnens, nicht gelungen, die Erinnerung in sich aufzufrischen und zu verdeutlichen, so daß er, nachdem er sich umsonst um Hebung des sich ihm entziehenden Schatzes bemüht, sein Grübeln als fruchtlos habe aufgeben müssen. Die Erzählung machte einen lebhaften Eindruck auf mich, der durch das Geheimnisvolle, Verhüllte und Verborgene des unauffindbaren, mit dem Dichter hinweggeschwundenen Gedankens nur zu schärferem Reize erhöht wurde.
(Sembdners Quelle: Üchtritz, Friedrich v.: Eleazar. Eine Erzählung. Bd. 1, Jena 1867, Vorwort)
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