Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 415)
Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]
Nordische Miszellen (21. Oktober 1810)
Berlin, 16. Okt. Seit dem 1. dieses Monats erscheint hier täglich eine neue Zeitschrift, betitelt Berliner Abendblätter, nur auf vier Oktavseiten. Die Herausgeber sind Herr Adam Müller und Herr H. von Kleist. Wenn man bedenkt, daß seit geraumer Zeit die Rede war, der erstere werde ein offizielles Blatt herausgeben, welches die ganze Staatsverwaltung umfassen solle, so kömmt einem dieses einzelne Quartblatt freilich als eine äußerst winzige Ausbeute vor, welches aber doch gewiß allgemein als eine interessante Erscheinung aufgenommen werden wird. In den Theater-Kritiken, welche die ersten Nummern dieser Abendblätter enthalten, ist ein neckender Geist gegen die Person des Schauspieldirektors Iffland nicht zu verkennen, und es soll dies, wie allgemein behauptet wird, in der persönlichen Abneigung des Herrn H. v. Kleist gegen denselben seinen Grund haben, woran Iffland nicht ganz unschuldig ist, wie aus Folgendem erhellet: Herr von Kleist hat nämlich ein Schauspiel geschrieben, Käthchen von Heilbronn betitelt, welches schon auf andern Bühnen gegeben ist. Dies sandte er Herrn Iffland, um es hier auffuhren zu lassen. Iffland behielt es lange Zeit, antwortete dem Verfasser nicht, sondern gab es einem seiner Bekannten endlich mit der Erklärung zurück: er könne es nicht einstudieren lassen, denn es gefiele ihm nicht. So erhielt es Herr von Kleist durch die dritte Hand wieder. Darüber äußerst beleidigt, schrieb er ein Billet an Iffland, welches nachher im Publikum zirkulierte, und worin er sich eben nicht auf die delikateste Weise zu rächen gesucht hat. [vgl. LS 365a]
Sehr lobens- und nachahmungswert sind in der Einrichtung dieser Abendblätter die täglichen offiziellen Anzeigen der Polizei-Behörde. Dies geschieht, wie die Herausgeber selbst bemerken, nicht sowohl um das Publikum zu unterhalten, sondern vielmehr, um die oft entstellten Erzählungen über an sich gegründete Tatsachen und Ereignisse zu berichtigen.
(Sembdners Quelle: Nordische Miszellen. (Hrsg. v. Friedr. Alex. Bran) Harnburg 1810)
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