Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 34a)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Nach Chr. E. Martini, Juli 1799 (P. Hoffmannn 1919)

Als Kleist kaum zwei Monate in Frankfurt studierte, besuchten ihn zwei befreundete Potsdamer Offiziere, v. Schlotheim und v. Brause, die eine Reise ins Riesengebirge machten. Den Wunsch, sie zu begleiten, versagte er sich in Rücksicht auf seine Studien. Da aber sechs Wochen später wegen der Frankfurter Margaretenmesse die Universitätsvorlesungen auf 14 Tage unterbrochen wurden, machte er sich mit seinen Geschwistern Ulrike und Leopold auf den Weg im eigenem Reisewagen. Im Ton der »wahrhaft curiösen« Reisebeschreibungen parodierte später Kleists Lehrer Martini in einem Gedicht von 59 siebenzeiligen Strophen, was ihm von der Reise erzählt worden war; aber doch so, daß das Tatsächliche sich gut erkennen läßt:

Bei herrlichstem Wetter fuhren sie am ersten Tage bis Crossen, in dessen Nähe Ulrike ihre Freundin, Frau von Vogel auf Kähmen, besuchte. Am nächsten Tage erreichten sie Sagan. Dort sahen sie einen Zauberkünstler, der freilich nicht dem Gaukler Jakob Philadelphia in Lichtenbergs Satire zu vergleichen war. In Bunzlau, ihrem nächsten Reiseziel, unterhielt sie ein »Wundermann, ein Astronom«, der Zeichnermeister Gottfried Hüttig, dessen Apparate damals von vielen durchreisenden Gelehrten bewundert wurden. Bei der Weiterreise unter einem starken Gewitter verirrten sie sich in der »kohlpechrabenschwarzen Nacht« und fanden endlich in Possen notdürftiges Unterkommen. Am nächsten Tage traf Heinrich in Flinsberg seinen früheren Kameraden, Karl von Gleißenberg, und in lustiger Gesellschaft beteiligten sie sich an dem Treiben der Kurgäste. Um ein »Schauspiel« zu sehen, das Martini als ein »wahres Sauspiel« bezeichnet, gingen sie nach Meffersdorf, das Heinrich durch die naturwissenschaftlichen Sammlungen und die wertvolle Bibliothek des gelehrten Adolf Traugott von Gersdorf ohnehin anlockte. Mit Gleißenberg fuhren sie dann über Hirschberg und Warmbrunn nach dem Kynast und verbrachten dort einen Tag, an den Kleist sich später noch gern erinnerte. Unter Führung von zwei Trägern stiegen sie von dort zur neuen schlesischen Baude hinauf, gingen dann, vorbei an »Rübezahls Kanzel«, zu den Schneegruben und durch den Elbgrund nach Friedrichstal in Böhmen. Am nächsten Morgen sahen sie vom Kamm aus die beiden Teiche und erstiegen, »trotz Wetter, Wind und Naß«, gegen Abend die Schneekoppe.

(Sembdners Quelle: Hoffmann, Paul: H. v. Kleists schlesische Reise. Vortrag i. d. Gesellsch. f. dt. Literatur (referiert von »f. v.«) Deutsche Allgem. Zeitung, 25. 4. 1919, Abendausg.)

[Kommentar Sembdner: »Soweit Martinis Bericht, der etwa die Tage vom 4. bis 12. Juli umfaßt.«]


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