Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 273c)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Überlieferung (Willibald Alexis, 1834)

Die ihn kannten, erzählen, daß kein Dichter es sich so mühevoll gemacht. Der erste Gedanke wurde, sobald er sich in das Embryo eines Verses hüllte, niedergeschrieben. Das ist aber nur ein Ausdruck, weil unsere Sprache keinen andern hat für krumme Linien, die zwischen Hieroglyphen und orientalischen und deutschen Buchstaben die Mitte halten. Es waren weniger Worte, als Zeichen für ihn, die das Flüchtige fesseln sollten. Bewährten sie sich bei ihm als echt, brauchbar, so ging er ans Dechifferieren und schrieb sie um. Diese zweite Arbeit war aber eben nur das, was wir andern ein erstes Brouillon nennen würden. Selbst die einzelnen Verse, von denen selten mehr als sechs - doch in der Regel auch nicht unter zwei - aufnotiert wurden, blieben nicht so und erlitten vielfältige Veränderungen, ehe sie in die ganze Arbeit übergingen. Bei dieser Schwierigkeit ist es merkwürdig genug, daß er so viel in der kurzen Lebensfrist, die noch durch so viel andere Umstände für ganz andere Sorgen absorbiert wurde, geschaffen hat.

(Sembdners Quelle: Alexis, Willibald (d. i. Wilhelm Häring): Raupach von außen oder Wie Dichter arbeiten. Der Freimüthige, 1. Sept. 1834)

[Anmerkung Sembdner: »Diese aufschlußreichen Mitteilungen hatte Willibald Alexis vermutlich von Tieck bekommen, den er wiederholt in Dresden besucht hatte.«]


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