Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 247)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Allgemeine Deutsche Theater-Zeitung. Leipzig, 11. März 1808

Aus Weimar. Am zweiten März gab man den Gefangenen, Oper in einem Akt, von Della Maria. Hierauf folgte zum ersten Male: Der zerbrochene Krug, Lustspiel in 3 Aufzügen. Das Sujet desselben ist recht artig. Ein gewissenloser Dorfrichter wird von dem Justizrevisor der Niederlande an einem Morgen überrascht, da er noch die Spuren einer Verwundung vom vorigen Abend an sich trägt. Der Gerichtsrat will einem Gerichtstage beiwohnen, den jedoch der Dorfrichter, da er seine Perücke verbrannt zu haben angibt, im bloßen Kopfe halten muß. Es erscheint ein Bauerweib, die ihren künftigen Schwiegersohn verklagt, daß er, da er ihre Tochter in dunkler Kammer bei einem entflohenen Galan getroffen, ihren historisch merkwürdigsten Krug zerbrochen. Aus dem scheuen Schweigen der Tochter, der Verlegenheit und den Wunden des kahlköpfigen Dorfrichters erraten wir sogleich, daß nur er am Abend unter irgend einem Vorwande bei Jungfer Even gewesen; aber hilf Himmel, hilf! nun müssen wir noch den zweiten und den (das ganze Stück verdarb dritthalb [2½] Stunden) eine Stunde währenden, dritten Akt, alles ein einziges Verhör, mit anhören. Dem Erzähler kommt es wohl zu, und wird bei ihm interessant, aber der dramatische Dichter darf die entdeckte Wahrheit nicht so unendlich weit vom endlichen Bekenntnis entfernen. Daß der Verfasser kein Dramatiker ist, beweist seine Unkunde jeder dramatischen Regel. Ich höre, daß er ein Herr von Kleist sei. Der tapfere Obrist (denn ich denke mir durchaus den Verfasser als Soldaten) zog die Socke an, ließ aber die Sporen nicht ab, und verwickelte sich so in Thaliens Gewand, das er stundenlang hin- und herziehen mußte, bis er sich, auf Kosten der leichten Bekleidung, endlich heraus zog. Dem Publikum gereicht es zu Ehre, daß es, am Ende des Stückes (was ich nie hier erlebte) wirklich pochte. Auch könnte wahrlich nur ein geschmackloser Schulmonarch, der mit gleicher Geduld zum Vallerius Maximus und ins Theater geht, dieses Machwerk interessant finden. - Hr. Becker war als Dorfrichter Adam vortrefflich, seine Malerei sehr passend. Demois. Elsermann, die eigentliche plagende Erzählerin, Jungfer Eve, hatte sich recht gut kostümiert. Richtig ergriff Hr. Unzelmann den Ton des Schreibers Licht, Mad. Wolff war Frau Marthe Null [!]. Gerichtsverwalter Herr Oels, Frau Brigitte Demois. Silie, der Bauer Ruprecht Hr. Wolff.

(Sembdner, Helmut: Neues zu H. v. Kleist. Jahrb. d. Dt. Schillerges. 1963, S. 375f. – Allgemeine Deutsche Theater-Zeitung. Hrsg. v. Carl Wilh. Reinhold. Leipzig 1808)


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