Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 193)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


[Gerwien.] Biographie Rühle von Liliensterns (1847)

Vorzüglich belebt, verallgemeinert und in mehr als einer Richtung vervollständigt wurde aber damals Rühles wissenschaftliche und künstlerische Ausbildung durch einen nahen Umgang mit den gelehrtesten und geistreichsten Männern in Dresden, unter denen neben den älteren Freunden Heinrich von Kleist und von Pfuel, die ihren Wohnsitz gleichfalls daselbst aufgeschlagen hatten, besonders Adam Müller, Christian Krause, der Natur-Philosoph Schubert, die Maler Hartmann und Kügelchen herauszuheben sind, und die freundliche Aufnahme bei dem Hofrat Böttiger und im Körnersehen Hause als erste Vermittelung zu dem vorher bezeichneten ausgedehnteren Umgange anzugeben ist. Endlich muß aber den vorher angeführten Namen auch noch Gentz hinzugefügt werden, dessen Bekanntschaft mit Rühle sich wahrscheinlich im Jahre 1807 in Dresden entwickelte …

In dieser Sphäre tritt namentlich das Verhältnis zu Adam Müller, Ernst von Pfuel und Heinrich von Kleist bedeutsam heraus. Die hohen geistigen Einwirkungen desselben liegen am Tage, wenn man erfahrt, daß in jener Umgebung Adam Müllers »Elemente der Staatskunst« entstanden, und Heinrich von Kleists Schauspiel »Käthchen von Heilbronn« seine ersten Zuhörer fand. Über die anregenden Berührungen des Geistes hinaus, knüpfte aber das Mißgeschick Heinrich von Kleists die Gemüter der Freunde enger aneinander. Es ist bekannt, wie nach der Wiederkehr desselben aus der französischen Gefangenschaft, sich dieser edle Geist um den Sturz des Vaterlandes mehr und mehr in Schwermut verzehrte, und sein verdunkelter Blick mit den letzten Hoffnungen auf die Erhebung Östreichs im Jahre 1809 gerichtet war. Um ein solches, den Stürmen seines Innern preisgegebene Leben zu tragen, reichte vielleicht nur die gemeinschaftliche Wirkung der überströmenden geistigen Fülle, und der welterfahrenen beherrschenden Kraft aus, welche Adam Müller, Rühle und Pfuel gleichzeitig, dem immer tiefer sinkenden Freunde gegenüber, aufzubieten vermochten. Der in seiner äußeren Lage damals am meisten vom Glück begünstigte Rühle hatte übrigens die Befriedigung, für den Lebensunterhalt des Freundes vorzugsweise sorgen zu können.

(Sembdners Quelle: (Gerwien, Major:) General-Lieutenant Rühle von Lilienstern. E. biograph. Denkmal. Beiheft z. Militär-Wochenblatt f. d. Monate Oktober-Dezember. Berlin 1847, S. 132-137)


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