Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 146): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 6. Dezember 2013, 09:55 Uhr

Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Wilhelm Traugott Krug, Meine Lebensreise (1842)

Der Dritte [von Krugs Königsberger Bekannten], nämlich Heinrich von Kleist, hatte zu der Zeit noch nicht so ausgezeichneten Ruf, als jene beiden [Fichte und Kotzebue], und als er späterhin durch seine dramatischen Dichtungen und seinen tragischen Tod erwarb. Indessen fing er schon an, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen; und zu mir selbst stand er in einem so eigentümlichen Verhältnisse, daß ich noch aufmerksamer auf ihn sein mußte. Denn meine Frau war seine erste Liebe gewesen. Auch würde seine Bewerbung um ihre Hand nicht erfolglos geblieben sein, wenn er nicht zu abenteuerliche Vorschläge damit verknüpft hätte. Ohne hinreichendes Vermögen zur Subsistenz einer Familie wollt' er dennoch keine Anstellung in der Heimat suchen, sondern mit seiner Geliebten nach der Schweiz ziehen, um dort ein idyllisches Leben zu führen. Deshalb versagten die Eltern ihre Einwilligung und, wie ich glaube, zum Glücke für ihre Tochter. Denn bei dem launenhaften und unsteten Wesen dieses Mannes würde sie schwerlich ein sehr idyllisches Leben gefunden haben. Er war so unglücklich organisiert, daß er sich fast immer in einem fieberhaften Zustande befand; woraus auch manche Seltsamkeit in seinen Dichtungen zu erklären sein dürfte. Das erste Zusammentreffen mit ihm hatte etwas Peinliches, sowohl für ihn als für uns selbst. Nach und nach aber gewöhnte man sich von beiden Seiten daran, frühere Lebensverhältnisse zu vergessen; und ich gestehe, daß ich, wenn er eben heiter gestimmt war, einen recht unterhaltenden Gesellschafter in ihm fand. Doch war jene Stimmung die seltnere. Meist war er in sich gekehrt und düster. Als ich ihn daher einmal besuchte und in solcher Verstimmung am hellen Mittag im Bette liegend gefunden hatte, konnt' ich mich nicht enthalten, zu meiner Frau zu sagen: »Ich fürchte, unser Freund K[leist] tut sich noch ein Leides an!« Daher war ich auch gar nicht betreten, als ich sein tragisches Ende vernahm. Ich wunderte mich vielmehr, daß er noch so lange ausgedauert hatte.

(Sembdners Quelle: Krugs Lebensreise in sechs Stationen von ihm selbst beschrieben. Neue, verbess. u. vermehrte Ausgabe. Leipzig 1842, S. 127)


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