Heinrich von Kleists Lebensspuren (LS 111)

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Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen. Neu herausgegeben von Helmut Sembdner. München 1996. [In der Kleist-Literatur üblicherweise mit der Sigle LS und laufender Nummer zitiert.]


Reisetagebuch der Auguste von Pannwitz (1835)

26. April 1835 (Mailand). Nach dem Dom besuchte Tante [Ulrike] eine alte Freundin, die Frau des Malers Loose, eine geborne Frl. [Caroline] von Schliben, die sie früher in Dresden gekannt hat. Dieser Besuch hat auf mich einen wahrhaft betrübten Eindruck gemacht, weil mir diese Madame Loose das traurigste Bild aller irdischen Freuden war. Ihr Vater ist Appellationsrat in Dresden gewesen, der dort im Verhältnis zu seinen Revenüen so glänzend gelebt hat, daß er seinen Kindern nichts übrig gelassen hat, um das nackte Leben ein wenig auszuschmücken. Nach dem Tode des Vaters haben die Töchter in Kupfer gestochen und sich mit dem Erwerb dieser Arbeit erhalten. Tante hatte ihre Freundin das letzte Mal in Dresden als fröhliches, blühendes bildhübsches Mädchen gesehen, heute war sie totenblaß, entsetzlich mager und glich mehr einer Leiche … Ihr Mann, ein guter Freund des Onkel Heinrich, ist vor zwei Jahren gestorben und zwar auf die allertraurigste Art für ihn und für seine Familie. Seine Krankheit hat damit begonnen, daß er stets mürrisch und verdrießlich war, dies hat immer mehr und mehr zugenommen und zuletzt hat er seine Frau und seine Kinder so malträtiert, daß ihn die Frau hat ins Irrenhaus bringen müssen und nun von dem Ertrag der Arbeit ihrer Hände nicht nur ihre fünf Kinder, sondern auch den verrückten Mann hat erhalten müssen, bis dieser dann endlich nach mehren Jahre auf die allerbejammernswerteste Art in der Anstalt gestorben ist.

(Sembdners Quelle: Fotokopien und Originale aus dem Nachlaß Georg Minde-Pouets; heute Kleistsammlung der Amerika-Gedenkbibliothek Berlin)


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