Brief Brief 1807-07-15

Aus KleistDaten
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.

Chalons sur Marne, 15. Juli 1807

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Otto August Rühle von Lilienstern


A Monsieur Monsieur de Rühle, Lieutenant de l'Etatmajor de Pruße, actuellement Prisonnier sur parole, à Dresden en Saxe, Pirnsche Vorstadt, Rammsche Gasse N. 134 (oder 143).

Mein liebster Rühle,

Du mußt mir verzeihen, daß ich Dir, in meiner Sache, mit Briefen so oft beschwerlich falle. Doch meine Lage hat so viele Seiten, daß ein Ratschluß immer den anderen verdrängt; und Du weißt, daß es überhaupt nicht meine Kunst ist, zu handeln.

Ich habe mich jetzt wieder anders entschlossen. Man hat mir die Reisediäten bewilligt, und da ich auf die Ungewißheit hin, ob Dein Wechsel schon unterweges ist, mich hier nicht länger aufhalten mag, so raffe ich mein Geld zusammen, und gehe, ohne weiteren Verzug, mit dem Kurier von hier ab. Die Hauptrücksicht, die mich dazu bewogen hat, ist diese, daß Dein Wechsel mir ja, wenn er schon abgeschickt sein sollte, nach Berlin nachgeschickt, und dort ebensogut geltend gemacht werden kann, als hier. Denn es müssen dort immer Handlungshäuser sein, welche Forderungen in der Stadt Frankreichs haben, in welcher der Wechsel zahlbar ausgestellt ist; und wäre dies nicht, so stellen sie es à conto, auf eine zukünftige Forderung. Solltest Du aber den Wechsel noch nicht abgeschickt haben, so wäre es mir allerdings jetzt um so viel lieber. In diesem Falle müßtest Du ihn aber doch unverzüglich nach Berlin an meine Schwester Ulrike, bei Gleißenbergs, schicken, indem ich ganz ohne Geld ankomme, und davon sowohl dort leben, als auch meine Reise zu Dir nach Dresden bestreiten muß. Tue Dein Möglichstes, daß es sich einigermaßen in der Ordnung fügt, damit ich meiner Schwester Ulrike nicht zur Last zu fallen brauche, und ihr einige Hoffnungen für die Zukunft geben kann. In vier höchstens sechs Tagen, denk ich mit dem Kurier hier abzugehen, Tag und Nacht, wenn ich es irgend aushalten kann, zu reisen, und in vierzehn Tagen von hier spätestens in Berlin zu sein. Nur wenige Tage halte ich mich dort auf und fliege dann zu Dir, wo Du mir auch vorläufig ein wohlfeiles Quartier ausmachen mußt. Adieu. Dieser Brief ist von dreien, die ich Dir seit kurzem geschrieben habe, der letzte. Solltest Du, durch einen Zufall, jene später erhalten, oder von Schlotheim und der Kleisten Aufträge erhalten, die diesem jetzigen Briefe widersprechen, so denke, daß die Willensmeinung in diesem meine eigentliche und kategorische ist.

Chalons sur Marne, den 15. Juli 1807

H. v. Kleist.


Zu den Übersichtsseiten (Personen, Orte, Zeit, Quellen)

Personen | Orte | Werke | Briefe | Jahresübersichten | Quellen