Brief 1807-10-25

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Dresden, 25. Oktober 1807

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Ulrike von Kleist


Deine Unlust am Schreiben, meine teuerste Ulrike, teile ich nicht mehr mit Dir, seitdem es mir vergönnt ist, Dich von frohen Dingen unterhalten zu können. Es geht mir in jedem Sinne so, wie ich es wünsche, und in dem Maße, als der Erfolg jetzt meine Schritte rechtfertigt, geht mir ein ganzer Stoff zu einer, die Vergangenheit erklärenden, Korrespondenz auf, mit der ich Dir noch verschuldet bin. Ich wußte wohl, daß Du mir in einem Falle, wo es in der Tat darauf ankommt, mir ein Vermögen zu verschaffen, nach so vielen Aufopferungen die letzte nicht verweigern würdest, die ihre ganze schöne Reihe schließt. Wenn es möglich gewesen wäre, rascher zu sein, so hätten wir schon, bei der gegenwärtigen Leipziger Messe, in den Buchhandel eintreten können; doch so hat diese Verzögerung andere nach sich gezogen, so, daß wir uns jetzt nicht eher, als bei der nächstfolgenden, werden darin zeigen können. Inzwischen hat dieser Aufschub, doch auch sein Gutes gehabt. Denn statt des Privilegii, das nun verkauft ist, hat uns der Hr. v. Carlowitz, einer der reichsten Partikuliers des Landes, ein unentgeltliches Privilegium in seiner Immediatstadt Liebstadt angeboten; ein ganz vortrefflicher Umstand, da wir dadurch das Recht bekommen, hier in Dresden ein Warenlager zu halten, und somit aller Vorteile eines städtischen Privilegii teilhaftig werden. Ferner ist während dessen, durch den hiesigen französischen Gesandten, der sich schon während meiner Gefangenschaft für mich interessiert hatte, und dessen nähere Bekanntschaft mir nun geworden ist, an Clarke in Paris geschrieben worden. Es ist nicht unmöglich, daß wir den Kodex Napoleon zum Verlag bekommen, und daß unsere Buchhandlung überhaupt von der französischen Regierung erwählt wird, ihre Publikationen in Deutschland zu verbreiten; wodurch, wie Du leicht denken kannst, die Assiette des ganzen Instituts mit einem Male gegründet wäre. Du wirst nicht voreilig sein, politische Folgerungen aus diesem Schritte zu ziehn, über dessen eigentliche Bedeutung ich mich hier nicht weitläufiger auslassen kann. - Was nun, zur Antwort auf Deinen Brief, den Termin anbetrifft, an welchem ich das Geld erhalten müßte, so kann ich Dir diesen jetzt genau nicht sagen, indem sich, wie gesagt, das Geschäft ein wenig in die Länge gezogen hat; inzwischen würdest Du es doch zu Neujahr in Bereitschaft halten müssen, da von diesem Zeitpunkt an für die kommende Messe vorgearbeitet werden muß. Übrigens muß es Konventionsgeld sein, d. h. der Wert davon, gleichviel in welcher Münzart, wenn nur nicht preußisch. Wenn es uns mit dem Kodex Napoleon glücken sollte (ich bitte Dich, nichts von dieser Sache zu sagen), so würde es vielleicht nötig sein, so schnell und so viel Geld herbei zu schaffen, daß ich noch nicht recht weiß, wie wir uns aus dieser Verlegenheit ziehen werden. 2000 Rth. haben wir in allem zusammen; doch Du kannst leicht denken, daß eine solche Unternehmung mehr erfordert, als dies. Ich nehme hier Gelegenheit zu einem andern Gegenstand überzugehen. Mein Auskommen wird mir in der Folge, wenn alles gut geht, aus einer doppelten Quelle zufließen; einmal aus der Schriftstellerei: und dann aus der Buchhandlung. Da ich die Manuskripte, die ich jetzt fertig habe, zum eignen Verlag aufbewahre, so ernähre ich mich jetzt bloß, durch fragmentarisches Einrücken derselben in Zeitschriften, und Verkauf zum Aufführen an ausländische Bühnen; und doch hat mir dies schon nahe an 300 Rth. eingebracht (der östr. Gesandte hat mir 30 Louisdor von der Wiener Bühne verschafft), woraus Du leicht schließen kannst, daß die Schriftstellerei allein schon hinreicht, mich zu erhalten. Wie wärs also, mein teuerstes Mädchen, wenn Du, statt meiner, als Aktionär in den Buchhandel trätest, der von jener Schriftstellerei ganz abgesondert ist? Du hast immer gewünscht, Dein Vermögen in einer Unternehmung geltend zu machen; und eine günstigere Gelegenheit ist kaum möglich, da der Vorteil, nach einem mäßigen mittleren Durchschnitt 22 p. C. ist. Ich verlange gar nicht, daß Du Dich hierüber kategorisch erklärst, Du mußt notwendig selbst hier sein, um Dich von dem innern Zusammenhang der Sache, und der Solidität derselben, zu überzeugen. Es kömmt gar nicht darauf an, Dich gleich mit Deinem ganzen Vermögen hineinzuwerfen, sondern nur mit einer etwas größeren Summe, als jene 500 Rth., und den Augenblick, wo das übrige zu wagen wäre, von der Zeit zu erwarten. Allerdings müßtest Du, in diesem Falle, jene Erklärung, die Du mir auf unsrer Reise von Gulben nach Wormlage gemacht hast, zurücknehmen und Dich entschließen können, mit mir zusammen zu leben. Und dies würde doch nicht schlechterdings unmöglich sein? Wenn Du vorderhand auf dies alles noch nicht eingehen willst, so bleibt es beim alten, d. h. bei der Verzinsung und Zurückzahlung des Kapitals. Ich sagte es nur, weil ich wünsche, Dir einen Vorteil verschaffen zu können, und weil eine Art von Ungerechtigkeit darin liegt, Dir das Geld zu 5 p. C. zu verinteressieren, während es mir 4 mal so viel abwirft. Nichts ist mir unangenehmer, als daß Du ganz abgesondert bist von der literarischen Welt, in dem Augenblick, da Dein Bruder zum zweitenmale darin auftritt. Ich wüßte nicht, was ich darum gäbe, wenn Du hier wärst. Eben jetzt wird in der Behausung des östr. Gesandten, der selbst mitspielt, ein Stück von mir, das noch im Manuskript ist, gegeben, und Du kannst wohl denken, daß es in den Gesellschaften, die der Proben wegen, zusammenkommen, Momente gibt, die ich Dir, meine teuerste Ulrike, gönne; warum? läßt sich besser fühlen, als angeben. Auch bist Du schon völlig in diesen Gesellschaften eingeführt, und es braucht nichts, als Deine Erscheinung, um wie unter Bekannten darin zu leben. Leopold und Gustel stehen in Deinem Briefe auf eine sonderbare Art neben einander. Man könnte sie beide gratulieren - auch beide bedauern; doch dies ist zu hamletisch für diesen Augenblick: ich küsse sie, und schweige. Adieu, lebe wohl, meine liebste Ulrike, grüße alles, und antworte mir bald. Wer hat denn die Hemden gemacht?

Dresden, den 25. Okt. 1807 H. v. Kleist.

N. S. Den 10. Okt. bin ich bei dem östr. Gesandten an der Tafel mit einem Lorbeer gekrönt worden; und das von zwei niedlichsten kleinen Händen, die in Dresden sind. Den Kranz habe ich noch bei mir. In solchen Augenblicken denke ich immer an Dich. Adieu, adieu, adieu - Du wirst mich wieder lieb bekommen.

N. S. Die Quittungen erfolgen hierbei. Aber mit denen vom Jan. und Febr. 1806 hat es nicht seine Richtigkeit. Wann hörten denn die Vorschüsse auf? -


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