Brief 1806-02-10

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Königsberg, 10. Februar 1806

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Karl Freiherr von Stein zum Altenstein


Hochwohlgeborner Freiherr,
Hochzuverehrender Herr Geheimer Oberfinanzrat,

Ew. Hochwohlgeboren unterstehe ich mich, mit diesem wiederholentlichen Schreiben zu behelligen, so vielfach auch, und schmerzhaft vielleicht die Geschäfte sein mögen, die Ihnen in diesen unseligen Augenblicken obliegen.

Ich hoffe immer noch, daß das seit jenem letzten Friedensschluß ausgesprengte Gerücht, wegen Abtretung unsrer fränkischen Provinzen, zu den ungegründeten gehört. Wenigstens wird man, so lange es sich tun läßt, zweifeln müssen, daß unser vortrefflicher König auf einen Vertauschungsplan eingehen werde, der offenbar darauf abzweckt, das geheiligte Band zwischen Fürst und Volk aufzulösen. Jene schönen, herrlichen Länder, sie sind nicht mein Vaterland; aber manche Rücksicht, und der Gedanke, einst wohltätig zu ihrer Entwickelung mitwirken zu sollen, hat sie mir wert gemacht: kurz, schmerzen, innig fast, wie Ihnen, würd es mich, wenn sie um einen Kaufwert geschätzt, und einer fremden Regierung dafür preisgegeben werden sollten.

Was in diesem Falle Ihre Bestimmung sein würde, ist mir unbekannt. Das aber weiß ich, daß ich Ihnen folgen möchte, wohin Sie sich auch wenden, und ich bitte Sie, Verehrungswürdigster: veranlassen Sie, daß ich in der Provinz angestellt werde, die unter Ihre Verwaltung gestellt werden wird.

Die Zeit, welche ich in Königsberg zubringen sollte, um mir die nötige kameralistische Ausbildung zu verschaffen, geht nun zu Ende. Eine fortwährende Unpäßlichkeit aber in den ersten Monaten, und späterhin eine Störung des natürlichen Geschäftsganges, durch die Truppenmärsche, haben meine Entwickelung zurückgehalten, und ich nähre den Wunsch, noch das nächste Sommerhalbejahr hier verweilen zu dürfen, um das Versäumte völlig nachzuholen. Dazu kömmt die jetzige Verwirrung der Dinge, die überdies meine Anstellung schwierig machen dürfte.

Ich ersuche daher Ew. Hochwohlgeb., mich zu belehren, ob ich deshalb meinen besonderen Antrag an das Departement zu richten habe, oder ob sich diese Sache vielleicht durch Ihre gütige Verwendung, ohne weitere Einreichung von meiner Seite abmachen läßt. Meine Schwester würde in diesem Falle zu meinem Schwager, dem Hr. v. Stojentin bei Danzig reisen, von wo ich ihr das Versprechen zu geben wünschte, sie auf den Herbst abholen zu können. Inzwischen bitte ich um eine möglichst baldige Entscheidung hierüber, teils weil diese Reise manche Veranstaltungen notwendig macht, teils weil ich, wegen nur auf ein Jahr gemieteter Wohnung, mir eine neue werde besorgen müssen.

Wenn es mir vergönnt wird, noch diese Zeit über bei der hiesigen Kammer zu arbeiten, so werde ich das Befreiungsgeschäft der Zünfte (mein Lieblingsgegenstand) völlig auslernen. Bisher ist man nur mit Hinwegschaffung der Mißbräuche, und Befreiung der Gewerbe innerhalb der Zunftschranken, beschäftigt gewesen; vor wenig Tagen ist aber ein Reskript eingegangen, das die völlige Auskaufung der Zunftgerechtsame, und gänzliche Wiederherstellung der natürlichen Gewerbsfreiheit eingeleitet hat.

Ich verharre mit der innigsten Hochachtung und Verehrung, Ew. Hochwohlgeboren, gehorsamster

H. v. Kleist.

Königsberg, den 10. Feb. 1806


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