Brief 1800-12-00

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Frankfurt an der Oder, Dezember 1800

Absender: Heinrich von Kleist

Adressat: Ulrike von Kleist


[Frankfurt a. d. Oder, Dezember 1800]

Mein liebes Ulrikchen, ich bin auf 8 Tage in Frankfurt, aber nicht so vergnügt, als wenn Du hier wärest. Ich mußte mir diese Zerstreuung machen, weil mich das Brüten über die schwangere Zukunft wieder ganz verstimmt hatte. In meinem Kopfe sieht es aus, wie in einem Lotteriebeutel, wo neben einem großen Lose 1000 Nieten liegen. Da ist es wohl zu verzeihen, wenn man ungewiß mit der Hand unter den Zetteln herumwühlt. Es hilft zwar zu nichts, aber es entfernt doch den furchtbaren Augenblick, der ein ganzes Lebensgeschick unwiderruflich entscheidet. Mehr als einmal bin ich nahe gewesen mich endlich geduldig in ein Amt zu fügen, bei dem doch viele Männer, wie sie es sagen, froh sind; und am Ende könnte man sich selbst mit dem Apollo trösten, der auch verdammt ward, Knechtdienste auf Erden zu tun. Aber immer noch reizt mich mein früheres, höheres Ziel, und noch kann ich es nicht (wie viele es können) verächtlich als unerreichbar verwerfen, ohne vor mir selbst zu erröten. Das Schlimmste bei dieser Ungewißheit ist, daß niemand mir raten kann, weil ich mich keinem andern ganz erklären kann. - Schreibe Du mir doch ein paar Worte nach Berlin. Adieu. Grüße Schönfeld und Frau, Onkel und Tante Pannwitzens etc.

N. S. Kannst Du mir nicht Nachricht geben, wo sich wohl jetzt meine Kulturgeschichte befindet?


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